Solar-Pflicht oder Photovoltaik-Pflicht?

Das pv magazine titelt: Neuer Rückenwind für landesweite Photovoltaik-Pflicht bei Neubauten in Baden-Württemberg

Bei einem Presseorgan der Solarstrombranche ist klar, dass der Fokus bei der Photovoltaik liegt, wenn es eigentlich um die verstärkte Nutzung von Sonnenenergie insgesamt geht. Der Energie- und Landesminister Franz Unterstellen (Grüne) arbeitet daran, die rechtlichen Grundlagen für eine landesweite Solarpflicht zu schaffen. Das schließt die Solarthermie ein, die in Baden Württemberg über das EWärmeG des Bundeslandes schon seit 2008 eine von mehreren Erfüllungsoptionen ist, nach denen bei der Erneuerung von Heizungsanlagen im Gebäudebestand bestimmte Mindestanforderungen erfüllt werden müssen. Seit 2015 kann dafür auch das Betreiben einer PV-Anlage angerechnet werden, es genügen 0,02 kW peak Photovoltaik pro Quadratmeter Wohnfläche. Ohne Kopplung zum Heizsystem bläst dieses aber weiter ungebremst CO2 in die Atmosphäre. Der Solarthermie werden in Baden-Württemberg dagegen 0,07 m² Aperturfläche / m² Wfl abverlangt, was einen fossil befeuerten Kessel zwar wirksam ausbremst, aber wegen der tendenziell überdimensionierten und deshalb schlecht ausgelasteten Kollektorfläche wirtschaftlich wenig interessant ist.

Was für wirksamen Klimaschutz fehlt, sind sinnvolle Anforderungen auf Länderebene zur Nutzung erneuerbarer Energien für die Gebäudeheizung. Sinnvollere Anforderungen jedenfalls, als im künftigen Gebäudeenergiegesetz festgelegt werden. Dort findet sich ebenfalls eine Erfüllungsoption mit „0,02 kW peak Photovoltaik“, allerdings bezogen auf den Quadratmeter Gebäudenutzfläche (die größer als die Wohnfläche ist). Das hätte zur Folge, dass ein Einfamilienhausneubau mit der üblichen 4 kW peak PV-Anlage auf dem Dach letztlich komplett ohne erneuerbare Energien beheizt werden könnte. Denn der Solarstrom dieser Anlage fließt zuerst in den normalen Stromverbrauch des Haushalts, und wenn Elektromobilität dazukommt, bleibt nichts für die Wärmeversorgung des Hauses übrig.

Die vom Sonnenkollektor kommende Wärme lässt sich dagegen nicht zweckentfremden. Die meisten heizungsunterstützenden Solarthermieanlagen reduzieren im Neubau den Brennstoffverbrauch um über 30 Prozent und beanspruchen nur rund 15 m² der Dachfläche. In den meisten Fällen bleibt viel Platz für zusätzliche Photovoltaik.

Ich erwarte von den Regierungsparteien und insbesondere von den Grünen, dass sie diese Fakten in die Gesetztesinitiativen für eine Solarpflicht in den Bundesländern einbeziehen. Die Regelungen dürfen nicht dazu führen, dass die Solarthermie noch stärker von den Dächern verdrängt wird, als das bereits geschehen ist, weil

  • die Strompreise durch die EEG-Umlage gestiegen, während die Preise für Heizöl in den vergangenen acht Jahren gefallen sind.
  • eine PV-Anlage auf dem EFH-Neubau über die EEG-Einspeisevergütung gefördert wird, während Solarthermie erst bei Sonnenhäusern einen Zuschuss erhält.

Die Solarpflicht muss vorschreiben, dass zuerst die Möglichkeit zum Einbau einer Solarthermieanlage geprüft wird und bei günstigen Voraussetzungen (Süddach, Neigung, Niedertemperaturheizung) diese Erfüllungsoption stärken. Wenn nur die Installation einer kleinen Sonnenkollektorfläche sinnvoll ist, z. B. bei starker Südabweichung, soll die Kombination mit einer zusätzlichen PV-Anlage einen Kombinationsbonus erhalten.
Ziel muss es sein, alle geeigneten Dachflächen für Photovoltaik und/oder Solarthermie zu nutzen.

Solarthermie (oben) und Photovoltaik (unten) kombiniert für die beste Nutzung von Sonnenenergie
Bild: Gemeinhardt AG / Sonnenhaus-Institut / Udo Geisler

Die Solarthermie sollte genauso wenig nach Quadratmetern bemessen werden wie die Photovoltaik. Es gibt ein klar nachvollziehbares Kriterium für die Leistungsfähigkeit eines Sonnenkollektors: den jährlichen Kollektorertrag auf Basis des zugehörigen Solar Keymark Zertifikats. Viele Sonnenkollektoren schaffen 450 kWh/(m² Jahr), aber es gibt auch Kollektoren mit nur 300 kWh/m² oder über 600 kWh/m². Bei Solarstromanlagen gilt die Erzeugung von 1.000 kWh je 1 kW peak als Faustformel.

Die Aufrechnung von Kilowattstunden aus PV-Modulen und Kollektoren ist wie ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Photovoltaik liefert hochwertigen Strom, zu dessen Herstellung in Kraftwerken wenigstens doppelt soviel Kilowattstunden Brennstoff verbraucht werden müssten, der aber immer häufiger vor dem Verbrauch unter Verlusten weitergeleitet oder zwischengespeichert werden muss. Solarthermie liefert dagegen zum lokalen Verbrauch passende Nutzwärme, ist immer mit einem entsprechenden Solarspeicher verbunden, benötigt keine zusätzliche Infrastruktur im Stromnetz und vermeidet gerade in den Sommermonaten hohe Bereitschaftsverluste der konventionellen Wärmeerzeuger. Nun geht es darum, aus Äpfeln und Birnen einen gesunden Obstsalat zu machen.

Mein Vorschlag:

Einem kW peak Photovoltaik entsprechen 1.000 kWh jährlicher Kollektorertrag nach Solar Keymark (Würzburg, 50 °C).

Und wieviel Solarthermie bzw. Photovoltaik sollte nun auf den Dächern Pflicht werden? Dazu möchte ich auf meinen Vorschlag zum Gebäudeenergiegesetz verweisen.

https://www.ahornsolar.de/solarenergie-im-gebaeudeenergiegesetz/